490 Grad

Ist Heiko Pohlmann (Herausgeber der Hasepost) ein Rechtspopulist? Eine Analyse

Die Frage hinter der Schlagzeile

In der medialen Landschaft Osnabrücks ist Heiko Pohlmann, Gründer und Herausgeber des Online-Magazins Hasepost, eine unübersehbare Figur. Seine Kommentare, oft scharf und stets meinungsstark, erreichen eine beachtliche Leser*innenschaft in Osnabrück. Die Frage, die ich mir stelle, und die den Kern dieser Analyse bildet, ist fundamental: Haben wir es bei Heiko Pohlmann mit einem kritischen Journalisten zu tun, der unbequeme Wahrheiten ausspricht, oder mit einem rechtspopulistischen Akteur, der gezielt agitiert?

Diese Frage ist weit mehr als eine lokale Personalie. Sie ist ein Mikrokosmos einer nationalen und internationalen Entwicklung. Das Vertrauen in etablierte politische Institutionen und klassische Medien schwindet. [1] Gleichzeitig hat der digitale Wandel die Medienlandschaft revolutioniert. Das langsame Sterben des traditionellen, anzeigenfinanzierten Lokaljournalismus hinterlässt ein Vakuum, in das neue, oft ideologisch getriebene Online-Akteurinnen stoßen. News-Aggregatoren wie die *Hasepost agieren nach einer anderen Logik. Sie sind nicht an die alten Standards der Ausgewogenheit gebunden und können ohne die traditionellen journalistischen "Gatekeeper" direkt mit ihrem Publikum kommunizieren. In diesem neuen Ökosystem sind Emotionalisierung, Personalisierung und Polarisierung nicht journalistische Laster, sondern die Währung der Aufmerksamkeit. [2]

Pohlmanns Wirken ist daher nicht nur eine Frage seiner persönlichen Überzeugungen, sondern ein strukturelles Symptom unserer Zeit. Er verkörpert einen neuen Typus des Medienunternehmers, der die Logik der digitalen Aufmerksamkeitsökonomie für Reichweite und Einfluss nutzt. Die Analyse seiner Arbeit ist somit mehr als nur die Untersuchung eines einzelnen Mannes; sie ist eine Fallstudie über die Funktionsweise, die Strategien und die Gefahren eines neuen, lokal verankerten Populismus, der das journalistische Gewand nutzt, um eine politische Agenda voranzutreiben. Es geht um die grundlegende Frage nach der Rolle und Verantwortung von Medien in einer Demokratie, deren öffentlicher Diskurs zunehmend fragmentiert und vergiftet erscheint. [2, 1] Um dieser Frage nachzugehen, müssen wir zunächst das Handwerkszeug schärfen und verstehen, was Rechtspopulismus eigentlich ausmacht.

Teil 1: Das Vokabular der Verführung – Was ist Rechtspopulismus?

Der Begriff „Populismus“ wird im politischen Alltag oft inflationär und als polemischer Kampfbegriff verwendet, um den Gegner zu diffamieren. [1] Für eine saubere Analyse ist es jedoch unerlässlich, ihn trennscharf zu definieren. Die Politikwissenschaft bietet hierfür klare Kriterien. Im Kern ist Populismus, so der renommierte Forscher Cas Mudde, eine „dünne Ideologie“. [3] Das bedeutet, er hat keinen umfassenden Weltentwurf wie der Sozialismus oder der Liberalismus, sondern basiert auf einer einzigen, zentralen Idee: der Vorstellung eines fundamentalen und unüberbrückbaren Gegensatzes zwischen einem „reinen, tugendhaften Volk“ und einer „korrupten, abgehobenen Elite“. [3] Populistinnen inszenieren sich dabei als die einzig wahren Vertreterinnen dieses „Volkes“ und sprechen allen anderen politischen Akteurinnen die Legitimität ab, für die Bürgerinnen zu sprechen. [3, 4] Jede andere Meinung wird nicht als legitimer Teil eines pluralistischen Diskurses gesehen, sondern als Verrat am „wahren Volkswillen“. [3]

Diese „dünne“ populistische Form kann mit verschiedenen Inhalten gefüllt werden. Beim Rechtspopulismus wird der populistische Rahmen mit einem spezifischen Set an rechten Ideologemen angereichert. Diese umfassen in der Regel drei Kernelemente:

  1. Nativismus: Dies ist eine aggressive Form des Nationalismus, die davon ausgeht, dass ein Staat ausschließlich den Mitgliedern der einheimischen Gruppe (der „Nation“) gehören sollte und dass nicht-einheimische Elemente – seien es Personen, Ideen oder Kulturen – eine fundamentale Bedrohung für die homogene Nation darstellen. [3] Dies äußert sich in einer ausgeprägten Fremdenfeindlichkeit, insbesondere gegen Migrantinnen und Musliminnen, und der ständigen Beschwörung einer angeblich bedrohten nationalen Identität. Soziale Probleme und Kriminalität werden oft durch rassische oder kulturelle Besonderheiten zu erklären versucht. [5]

  2. Autoritarismus: Rechtspopulist*innen fordern einen starken Staat, der mit harter Hand für „Recht und Ordnung“ sorgt („Law-and-Order-Autoritarismus“). [5] Sie neigen dazu, bürgerliche Freiheiten zugunsten von Sicherheit einzuschränken, und fordern oft härtere Strafen und eine konsequentere Durchsetzung von Gesetzen, insbesondere im Bereich der Migration und Kriminalität.

  3. Traditionalismus: Rechtspopulist*innen appellieren an traditionelle Werte und romantisieren eine vermeintlich bessere Vergangenheit. [6] Sie stehen modernen gesellschaftlichen Entwicklungen wie dem Feminismus, der Gleichstellung von LGBTQ±Personen (Anti-Genderismus) oder multikulturellen Lebensentwürfen feindselig gegenüber und beschwören das Ideal einer überschaubaren, homogenen und oft patriarchalisch geprägten Gemeinschaft. [6]

Aus diesen Kernelementen leitet sich ein Set an typischen Merkmalen und Strategien ab, die als Checkliste für die Analyse dienen können:

Der entscheidende Punkt für die Analyse ist die Unterscheidung zwischen der populistischen Form (dem Anti-Eliten-Appell) und dem rechten Inhalt (Nativismus, Autoritarismus). Viele mögen Pohlmanns Kritik am „Establishment“ als legitimen Journalismus ansehen. Doch die entscheidenden Fragen sind: Welches Establishment greift er an? Und womit füllt er die Lücke, die seine Kritik reißt? Wie die folgende Analyse zeigen wird, richtet sich seine Kritik vornehmlich gegen politische, mediale und zivilgesellschaftliche Akteur*innen, während ökonomische Machteliten ungeschoren davonkommen. Die Lücke füllt er mit einer Agenda, die Punkt für Punkt den Kriterien des Rechtspopulismus entspricht. Er nutzt eine anschlussfähige, volksnahe Form, um einen zutiefst reaktionären und ausgrenzenden Inhalt zu transportieren.

Teil 2: Die Methode Pohlmann – Eine Dekonstruktion in vier Akten

Die Kommentare von Heiko Pohlmann sind mehr als nur einzelne Meinungsäußerungen. Sie folgen einer wiederkehrenden Dramaturgie, einem Muster aus rhetorischen Strategien und ideologischen Versatzstücken. Um diese Methode zu verstehen, müssen wir seine Texte nicht nur lesen, sondern sezieren. Die folgende Dekonstruktion in vier Akten legt die zentralen Mechanismen seiner Agitation offen und belegt sie Punkt für Punkt mit seinen eigenen Worten.

Akt 1: Die Inszenierung der Dauerkrise – "Blutbad", "Bürgerkrieg" und der tägliche Ausnahmezustand

Ein zentrales Merkmal rechtspopulistischer Rhetorik ist die „Beschwörung von Untergangsszenarien“. [1] Es geht darum, eine Atmosphäre der permanenten Krise, der Angst und des Kontrollverlusts zu schaffen. Heiko Pohlmann ist ein Meister dieser Disziplin. In seinen Texten wird die deutsche und insbesondere die Osnabrücker Gegenwart nicht als eine von Herausforderungen geprägte, aber im Grunde stabile Realität gezeichnet, sondern als ein Ort am Rande des Abgrunds.

Das vielleicht drastischste Beispiel ist sein Kommentar zum Osnabrücker Karneval unter dem Titel „Karneval oder Bürgerkrieg?“. Der Titel allein setzt bereits den Rahmen: Ein Volksfest wird in die Nähe eines bewaffneten Konflikts gerückt. Diese alarmistische Gegenüberstellung durchzieht den gesamten Text. Pohlmann beschreibt nicht einfach nur erhöhte Sicherheitsvorkehrungen, er übersetzt sie in ein apokalyptisches Gefühlsszenario. So schreibt er: „Wer mit seiner kleinen Prinzessin an der Hand zum Karnevalsumzug geht, wird begleitet von der Angst, dass dieser schöne Tag in einem Blutbad enden könnte.“ Das Wort „Blutbad“ ist hier kein Versehen, es ist ein bewusst gesetzter emotionaler Anker, der ein alltägliches Bild – ein Vater mit seiner Tochter – mit maximalem Schrecken auflädt.

Pohlmann belässt es nicht bei Andeutungen. Er behauptet, Deutschland sei durch die Politik der letzten Jahre in einen permanenten Krisenmodus versetzt worden. Er spricht von einem „Deutschland, das wir kannten und liebten, [das] in den Ausnahmezustand gebracht wurde“. Die Sicherheitsmaßnahmen beim Karneval sind für ihn nicht einfach nur Vorsichtsmaßnahmen, sondern der sichtbare Beweis für diesen angeblichen „Ausnahmezustand“.

Diese Strategie der „Apokalypse- und Sintflut-Erzählungen“ [8] ist mehr als nur ein Mittel, um Aufmerksamkeit zu erregen. Sie ist eine Form der psychologischen Konditionierung. Wer permanent mit der Vorstellung von „Blutbädern“, „Bürgerkrieg“ und „importiertem Terror“ konfrontiert wird, entwickelt ein Gefühl der permanenten Bedrohung. Diese Angst hat eine klare politische Funktion: Sie macht die Bevölkerung empfänglicher für autoritäre Lösungen. In einer Welt, die als permanent gefährlich dargestellt wird, erscheinen Forderungen nach mehr Überwachung, härteren Gesetzen und konsequenteren Abschiebungen nicht mehr als radikal, sondern als vernünftige Notwendigkeit. Pohlmann erzeugt die Krankheit – eine generalisierte Angst –, um seine Medizin – eine autoritäre, ausgrenzende Politik – als einzig wirksames Heilmittel zu verkaufen. Seine Sprache ist nicht beschreibend, sie ist performativ: Sie will nicht die Realität abbilden, sondern eine neue, von Angst geprägte Realität im Kopf der Leser*innen erschaffen.

Akt 2: Das Feindbild-Karussell – Wer heute die "Anderen" sind

Das Herzstück jeder populistischen Ideologie ist die strikte Trennung der Gesellschaft in ein tugendhaftes „Wir“ und eine bedrohliche Gruppe von „den Anderen“. [3, 7] Diese Feindbilder sind das Schmiermittel der populistischen Mobilisierungsmaschine. Bei Heiko Pohlmann rotiert ein ganzes Karussell an Feindbildern, die je nach Anlass ins Visier genommen werden. Was sie eint, ist, dass sie allesamt Facetten einer modernen, pluralistischen Gesellschaft repräsentieren, die dem von Pohlmann propagierten Ideal einer homogenen und traditionellen Ordnung widersprechen.

Feindbild 1: Die „Linken“. In Pohlmanns Weltbild sind Menschen, die sich gegen rechts engagieren, keine besorgten Bürger*innen, sondern ein hysterischer Mob. In seinem Kommentar „Die linke Massenhysterie forderte in München weitere Opfer“ bezeichnet er Demonstrierende pauschal als „linke Schreihälse“. Er unterstellt ihnen, sie würden in einer „Massenhysterie“ agieren und eine „lautstarke Minderheit“ darstellen, die grundlos auch etablierte Parteien wie CDU/CSU und FDP ins Visier nehme. In einem anderen Text über Demonstrationen in Osnabrück bezeichnet er die Teilnehmenden als „Narren“, die eifrig gegen ein „ominöses ‚Rechts‘“ demonstrieren. Diese Sprache dient dazu, linkes und zivilgesellschaftliches Engagement zu delegitimieren, zu pathologisieren und als irrationale, aggressive Handlung darzustellen.

Feindbild 2: Die Feminist*innen. Pohlmanns Kommentare offenbaren ein zutiefst problematisches Verhältnis zu Frauen, die öffentlich ihre Meinung vertreten und traditionelle Rollenbilder in Frage stellen. Sein Artikel über die erste Osnabrücker Grünkohlkönigin, Barbara Havliza, ist hierfür ein Paradebeispiel. Statt ihre Rede inhaltlich zu würdigen, diskreditiert er sie als unpassend „feministisch“. Er schreibt, ihre Rede sei „immer wieder in feministische Themen abgedriftet“ und habe für „Unruhe im Saal“ gesorgt. Ihre pointierte Aussage „Nur schwache Männer können starke Frauen nicht ertragen“ wird von ihm als aggressiver Konter dargestellt („konterte Barbara I. daraufhin“) und der Schluss ihrer Rede als „schulmeisternd“ abgetan. Die gesamte Inszenierung des Artikels zielt darauf ab, eine meinungsstarke Frau als unpassend, belehrend und aggressiv darzustellen und die negative Reaktion eines vornehmlich männlichen Publikums als gerechtfertigte Antwort zu inszenieren.

Feindbild 3: Die Migrant*innen. Das konstanteste und zentralste Feindbild in Pohlmanns Rhetorik sind Migrantinnen, Flüchtlinge und abgelehnte Asylbewerberinnen. Sie werden als primäre Quelle für Kriminalität, Terror und gesellschaftlichen Verfall dargestellt. Selten spricht er über Individuen, stattdessen verwendet er pauschalisierende und entmenschlichende Formulierungen. Er schreibt von „Täter[n] mit dem immer gleichen Hintergrund (illegal eingereist, nicht abgeschoben und häufig auch straffällig)“ oder beklagt „die zunehmende Gewalt durch Migranten und insbesondere (abgelehnte) Asylbewerber“. In seinem Kommentar „Wer Recht nicht durchsetzt, macht sich mitschuldig“ wird diese Verbindung explizit und absolut gesetzt: „Wir haben ein Problem mit den immer gleichen Tätern, dem immer gleichen Tatwerkzeug und der immer gleichen Vorgeschichte“. Diese Rhetorik konstruiert eine homogene Gruppe von gefährlichen Fremden und bedient damit das nativistische Kernstück des Rechtspopulismus. [5]

Dieses Feindbild-Karussell ist kein Zufall. Es ist ein systematischer Angriff auf den Pluralismus selbst. Die Feministin, der linke Demonstrant und der kriminelle Migrant haben auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun. Doch in Pohlmanns Weltbild sind sie alle „die Anderen“. Sie stören die von ihm herbeigesehnte Ordnung: die Feministin die Geschlechterhierarchie, der Linke den politischen Konsens und der Migrant die ethnische Homogenität der Nation. Wie die Forschung festhält, erkennt der Populismus den Pluralismus nicht an. [3, 4] Pohlmanns ständige Angriffe auf unterschiedliche Gruppen sind daher nicht nur eine Serie von Einzelattacken. Sie sind ein Krieg gegen die Idee einer vielfältigen Gesellschaft, in der unterschiedliche Identitäten, Meinungen und Lebensentwürfe gleichberechtigt nebeneinander existieren können. Der eigentliche Feind ist die Vielfalt selbst.

Akt 3: Die Täter-Opfer-Umkehr als rhetorische Waffe

Eine der perfidesten und zugleich wirkungsvollsten Strategien im Arsenal des Rechtspopulismus ist die Täter-Opfer-Umkehr. [7] Sie dient dazu, die moralischen Koordinaten des öffentlichen Diskurses zu verschieben. Wer gegen Rassismus und Rechtsextremismus protestiert, wird zumzur Täterin gemacht, während die angeblichen Opfer dieser Proteste – die Rechten und ihre Sympathisant*innen – zu den wahren Opfern stilisiert werden. Heiko Pohlmann setzt dieses Instrument mit bemerkenswerter Präzision ein.

Sein Kommentar zur Osnabrücker Demonstration gegen die AfD und die CDU unter der Schlagzeile „‚F\tzen gegen Faschos‘“ ist ein Lehrstück dieser Methode. Pohlmann nutzt ein provokantes Transparent, um die gesamte Demonstration und ihre tausenden Teilnehmenden zu diskreditieren. Er stellt die rhetorische Frage: „Und jetzt? Alle Andersdenkenden sind ‚F\tzen‘ und ‚Faschos‘? A brave new world?“. Damit unterstellt er den Demonstrierenden, sie seien die wahren Intoleranten, die Andersdenkende pauschal diffamieren. Diejenigen, die gegen eine als faschistoid empfundene Politik auf die Straße gehen, werden so selbst in die Nähe von totalitärem Denken gerückt.

Der eigentliche Kern der Täter-Opfer-Umkehr liegt jedoch in der Gegenüberstellung dieser Demonstration mit dem Leid „echter“ Opfer. Pohlmann fragt suggestiv: „Wo sind die Trauerbekundungen für die Opfer der zunehmenden Gewalt durch Migranten und insbesondere (abgelehnten) Asylbewerber?“. Er kritisiert, dass die Kirchen und andere Organisationen nicht gegen den „Messer- und Autoterror“ auf die Straße gehen, den er als „Alltäglichkeit“ darstellt. Diese Gegenüberstellung ist eine rhetorische Falle. Sie konstruiert eine falsche Alternative: Entweder man solidarisiert sich mit den Opfern von (migrantischer) Gewalt ODER man demonstriert gegen die AfD. Die Möglichkeit, sich sowohl gegen Kriminalität als auch gegen Rechtsextremismus zu positionieren, wird ausgeblendet.

Durch diese Taktik vollzieht Pohlmann eine Art „moralisches Hijacking“. Er kapert die Sprache und die Emotionen der Solidarität und des Mitgefühls, die typischerweise mit progressiven Anliegen verbunden sind, und wendet sie gegen seine Gegner*innen. Er erinnert an die breite Solidarität nach den islamistischen Anschlägen von Paris („Je suis Charlie“) und beklagt, dass dieser „Anstand“ verloren gegangen sei. Die implizite Botschaft ist klar: Die Demonstrierenden von heute sind unanständig, ihre Solidarität ist falsch und selektiv. Die wahren Opfer werden von ihnen ignoriert.

Diese Umkehrung ist zutiefst zynisch. Sie entleert moralische Begriffe wie „Solidarität“ und „Anstand“ ihrer universellen Bedeutung und macht sie zu Waffen in einem Kulturkampf. Wer für eine offene Gesellschaft demonstriert, wird als moralisch minderwertig dargestellt, während diejenigen, die eine ausgrenzende Politik fordern, als die wahren Anwältinnen der vergessenen Opfer inszeniert werden. Die Täterinnen werden zu Opfern, und die Opfer der Hetze werden zu Täter*innen gemacht.

Akt 4: Die Logik des Sündenbocks – Wenn an allem die Flüchtlingspolitik schuld ist

Komplexe Probleme haben komplexe Ursachen. Rechtspopulistische Rhetorik ersetzt diese Komplexität durch simple Erklärungen und klare Schuldzuweisungen. [3, 7] In der Welt des Heiko Pohlmann gibt es einen universellen Sündenbock, eine monokausale Erklärung für eine Vielzahl gesellschaftlicher Missstände: die „missglückte Flüchtlingspolitik“. Diese Reduktion ist nicht nur intellektuell unredlich, sie ist politisch brandgefährlich, weil sie von den tatsächlichen, strukturellen Ursachen der Probleme ablenkt.

Im Kommentar „Karneval oder Bürgerkrieg?“ wird diese Logik mustergültig vorgeführt. Die Notwendigkeit massiver Sicherheitsvorkehrungen bei einem Volksfest wird nicht etwa im Kontext einer allgemeinen, globalen Terrorgefahr oder als Ergebnis komplexer Radikalisierungsprozesse analysiert. Stattdessen liefert Pohlmann eine einzige, simple Ursache: „Wer noch Zweifel hatte, wie uns die missglückte Flüchtlingspolitik von Angela Merkel und der danach von der Ampel gestartete, Turbo [...] verändert hat, muss sich nur die Osnabrücker Innenstadt an diesem Karnevalssamstag anschauen.“. Ein komplexes Phänomen (Sicherheit im öffentlichen Raum) wird direkt und ohne jeden Zwischenschritt auf eine einzige politische Entscheidung zurückgeführt.

Das gleiche Muster findet sich in seiner Auseinandersetzung mit Kriminalität. In „Wer Recht nicht durchsetzt, macht sich mitschuldig“ wird ein brutales Verbrechen in Aschaffenburg zum Anlass genommen, ein Generalurteil über den deutschen Staat zu fällen. Die Ursache für die Tat liegt für Pohlmann nicht in der Psyche des Täters, in sozialen Verwerfungen oder in Versäumnissen einzelner Behörden, sondern im systemischen Versagen bei Abschiebungen: „Politik und Politiker, die geltendes Recht nicht durchsetzen, machen sich meiner Ansicht nach mitschuldig an den inzwischen zahlreichen Messertoten.“. Wieder wird ein komplexes Problem auf eine einzige, politisch aufgeladene Ursache reduziert: die angeblich zu lasche Migrationspolitik.

Diese Sündenbock-Logik ist nicht nur ein rhetorischer Trick, sie erfüllt eine entscheidende systemische Funktion. Die Fokussierung auf den kulturell-ethnischen Sündenbock (dendie Migrantin) lenkt die öffentliche Wut gezielt von einer potenziell systemkritischen Analyse ab. Eine Bürgerin, der*die sich über marode Schulen, mangelnde Sicherheit oder wirtschaftliche Unsicherheit sorgt, hat legitime Anliegen. Eine strukturelle Analyse würde die Ursachen hierfür in neoliberaler Austeritätspolitik, in einer ungerechten Steuergesetzgebung, die Vermögende und Konzerne schont, und in der zunehmenden sozialen Ungleichheit suchen. Dieser Analyseweg führt unweigerlich zur Infragestellung der herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.

Pohlmanns Erzählung bietet einen anderen, einfacheren Weg. Er kanalisiert die Wut auf einen sichtbaren, fremden Sündenbock. Die Lösung ist dann nicht eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, sondern eine härtere Gangart an der Grenze und bei Abschiebungen. Damit fungiert Pohlmanns Rhetorik als ideologisches Sicherheitsventil für das kapitalistische System. Er nimmt die reale Wut und die realen Ängste der Menschen auf und leitet sie in eine Richtung, die für die ökonomischen Machteliten völlig ungefährlich ist. Statt über Klassenkampf wird über Kulturkampf gestritten. Statt über Kapitalismuskritik über Migrationskritik. Pohlmann mag sich als Kritiker des Establishments gerieren, doch in seiner Funktion als Ablenker von den wahren ökonomischen Machtverhältnissen erweist er dem Status quo einen unschätzbaren Dienst.

Teil 3: Der Kommentar als Kampfzone – Wie ein journalistisches Format zur Waffe wird

Bisher lag der Fokus auf dem Was – dem Inhalt von Pohlmanns Agitation. Mindestens ebenso aufschlussreich ist jedoch das Wie – die Art und Weise, wie er das journalistische Format des „Kommentars“ instrumentalisiert, um seiner Propaganda den Anschein von Legitimität und intellektueller Redlichkeit zu verleihen. Ein Kommentar ist in der journalistischen Tradition der Ort für eine begründete, subjektive Meinung. Er soll zur Debatte anregen und Perspektiven eröffnen. Bei Pohlmann wird der Kommentar zur Kampfzone, in der es nicht um Aushandlung, sondern um einseitige Überzeugung und die Delegitimierung der Gegner*innen geht. [4]

Pohlmanns Methode ist es, seine subjektiven und oft extremen Meinungen als objektive Fakten oder zwingende logische Schlussfolgerungen zu präsentieren. [7] Er stellt Behauptungen auf, die durch keinerlei Belege oder Daten gestützt werden, und formuliert sie in der Sprache der unumstößlichen Wahrheit. Wenn er schreibt, dass die „Lebensläufe der Messerattentäter“ sich gleichen, oder dass die Demonstrierenden in München von einer „Massenhysterie“ erfasst sind, sind das keine argumentativ hergeleiteten Thesen, sondern als Tatsachen getarnte Meinungen. Er nutzt die Autorität, die das Zeitungsformat des Kommentars traditionell besitzt, um seine persönliche Weltsicht als allgemeingültige Realitätsbeschreibung zu verkaufen.

Das perfideste Instrument in diesem Missbrauch des Formats ist sein wiederkehrender Slogan am Ende vieler Kommentare: „‚Denken ist schwer, darum urteilen die meisten.‘ (C. G. Jung) Bitte denken Sie mehr. Ihr Heiko Pohlmann“. Dieser Abspann ist der Inbegriff des pseudo-intellektuellen Populismus. Er ist eine rhetorische Finte, die mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllt. Und vor allem ist er eines - überheblich.

Erstens verleiht das Zitat eines berühmten Psychologen wie C. G. Jung dem vorangegangenen Text einen Anstrich von intellektueller Tiefe und Seriosität. Es suggeriert, dass die oft kruden und emotionalen Ausführungen das Ergebnis eines tiefen, anstrengenden Denkprozesses sind.

Zweitens ist es eine präventive Immunisierung gegen jegliche Kritik. Der Slogan etabliert eine Dichotomie: auf der einen Seite das schwere „Denken“ (das Pohlmann und die ihm zustimmenden Leserinnen für sich beanspruchen) und auf der anderen Seite das leichte „Urteilen“ (dem sich alle Kritikerinnen schuldig machen). Wer widerspricht, hat demnach nicht anders oder besser gedacht, sondern hat das Denken ganz aufgegeben und ist ins bloße Urteilen verfallen. Jede Gegenposition wird so von vornherein als intellektuell minderwertig abqualifiziert.

Drittens ist es eine zutiefst anti-diskursive Geste. Die Aufforderung „Bitte denken Sie mehr“ ist keine offene Einladung zum kritischen Dialog. Im Kontext der vorangegangenen Texte ist sie eine Anweisung: „Bitte denken Sie so wie ich, um zu den gleichen, einzig richtigen Schlüssen zu kommen.“ Es ist eine Geste, die den Dialog beendet, bevor er begonnen hat, indem sie den Sieg durch intellektuelle Überlegenheit deklariert. Es ist eine paradoxe Situation: Pohlmanns Texte sind, wie gezeigt, Musterbeispiele des Nicht-Denkens – sie sind emotional, reduktionistisch und belegfrei. Doch er nutzt das Etikett des Denkens, um diesen Mangel zu kaschieren. Er missbraucht den Raum, der für begründete Meinung reserviert ist, für unbegründete Agitation und krönt das Ganze mit einem pseudo-intellektuellen Abgesang, der ihn zum Sieger des nicht geführten Diskurses erklärt.

Teil 4: Die Funktion hinter der Fassade – Mutmaßungen über das Geschäftsmodell der Agitation

Wenn man die Puzzleteile aus den vorangegangenen Analysen zusammensetzt – die Krisenrhetorik, die Feindbildkonstruktion, die Täter-Opfer-Umkehr, die Sündenbock-Logik und den Missbrauch des journalistischen Formats –, stellt sich die naheliegende Schlussfrage: Wozu das alles? Was ist die Funktion hinter der Fassade des kritischen Kommentators? Die Antwort ist vielschichtig und legt ein Geschäftsmodell offen, in dem politische, ökonomische und systemische Motive untrennbar miteinander verwoben sind und sich gegenseitig verstärken.

1. Die politische Funktion: Die Verschiebung des Sagbaren Auf der offensichtlichsten Ebene ist Pohlmanns Arbeit ein politisches Projekt. Seine ständige Agitation gegen Linke, Feministinnen, Migrantinnen und die „etablierte Politik“ dient dazu, das Meinungsklima in Osnabrück und darüber hinaus nach rechts zu verschieben. Indem er rechtspopulistische Narrative normalisiert und sie tagtäglich in den lokalen Diskurs einspeist, verschiebt er die Grenzen dessen, was als sagbar und akzeptabel gilt. [4, 1] Er bereitet argumentativ den Boden für rechte und rechtsextreme Parteien wie die AfD. Wenn eine Gesellschaft permanent hört, dass eine „Kriminalität außer Kontrolle“ ist und die Ursache in der Migration liegt, erscheint die Forderung der AfD nach Massenabschiebungen nicht mehr als extrem, sondern als logische Konsequenz. Pohlmanns Rhetorik schafft die emotionale und narrative Grundlage, auf der rechte Politik gedeihen kann. [1]

2. Die ökonomische Funktion: Das Geschäftsmodell der Empörung Die Hasepost ist ein kommerzielles Unternehmen, das im Ökosystem der digitalen Medien agiert. In diesem System ist Aufmerksamkeit die härteste Währung. Und nichts erzeugt so zuverlässig Aufmerksamkeit wie starke Emotionen, insbesondere Wut, Angst und Empörung. [2, 8] Pohlmanns polarisierende und alarmistische Kommentare sind perfekt auf diese Logik zugeschnitten. Jeder hetzerische Text generiert unzählige Klicks, Kommentare und Shares – sowohl von wütenden Gegnerinnen als auch von begeisterten Anhängerinnen. Diese hohe Interaktionsrate ist pures Gold für die Vermarktung von Werbeanzeigen und den Aufbau einer loyalen, monetarisierbaren Stammleserschaft. Die politische Agitation ist somit gleichzeitig der Motor des ökonomischen Modells. Der Populismus ist nicht nur Überzeugung, er ist auch ein profitables Geschäft.

3. Die systemische Funktion: Der Schutz des Status quo Dies ist die tiefste und vielleicht wichtigste Funktion. Wie in Teil 2, Akt 4 dargelegt, dient Pohlmanns Rhetorik als ideologisches Ablenkungsmanöver. In einer Zeit wachsender sozialer Ungleichheit und wirtschaftlicher Unsicherheit gibt es ein enormes Potenzial für Wut und Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Diese Wut könnte sich gegen die Verursacher dieser Zustände richten: gegen eine Wirtschaftsordnung, die auf Ausbeutung und Ungleichheit basiert, und gegen die ökonomischen Eliten, die davon profitieren. Pohlmanns Rhetorik kanalisiert diese Wut jedoch sicher um. [5] Er lenkt sie auf Sündenböcke, die für die herrschenden Verhältnisse ungefährlich sind: Migrant*innen, die angebliche „Gender-Lobby“ oder linke „Gutmenschen“. Er sorgt dafür, dass die Menschen über einen Kulturkampf streiten, damit sie nicht auf die Idee kommen, einen Klassenkampf zu führen. In dieser Hinsicht ist er, ob beabsichtigt oder nicht, ein Stabilisator des Systems, das er vordergründig zu kritisieren scheint.

Diese drei Funktionen – die politische, die ökonomische und die systemische – bilden eine perfekte, sich selbst verstärkende Symbiose. Es ist ein populistisches Geschäftsmodell: Die politische Agitation erzeugt den emotionalen Inhalt, der das ökonomische Modell antreibt, und das gesamte Unternehmen erfüllt die systemische Funktion, den ökonomischen Status quo vor radikaler Kritik zu schützen. Es ist eine hocheffiziente Maschine zur Umwandlung von sozialer Angst in politisches Kapital und finanziellen Profit, die gleichzeitig jene Strukturen stärkt, die diese Angst erst hervorbringen.

Fazit: Die Kriterien anwenden und selbst entscheiden

Diese Analyse hat versucht, die publizistische Methode von Heiko Pohlmann zu dekonstruieren. Sie hat seine Rhetorik, seine Themen und seine Strategien beleuchtet und sie mit den wissenschaftlich fundierten Merkmalen des Rechtspopulismus abgeglichen. Das endgültige Urteil in der Eingangsfrage – ist Heiko Pohlmann ein Journalist oder ein Rechtspopulist? – soll und muss jedoch derdie mündige Leserin selbst fällen.

Um diese Entscheidung zu erleichtern, werden die in Teil 1 erarbeiteten Kriterien des Rechtspopulismus hier noch einmal aufgegriffen und den in dieser Analyse präsentierten Belegen aus Pohlmanns eigenen Texten direkt gegenübergestellt. Diese Tabelle verdichtet die Argumentation und legt die Beweiskette offen.

Merkmal des Rechtspopulismus Nachweis in Pohlmanns Rhetorik Beispielzitat (aus seinen Kommentaren)
Anti-Establishment-Rhetorik Systematische Angriffe auf "die Politik", die angeblich geltendes Recht nicht durchsetzt und den Willen des Volkes verrät. "Politik und Politiker, die geltendes Recht nicht durchsetzen, machen sich meiner Ansicht nach mitschuldig an den inzwischen zahlreichen Messertoten."
"Wir vs. Die"-Konstruktion Scharfe, unversöhnliche Trennung zwischen dem "normalen Bürger" oder der "schweigenden Mehrheit" und klar definierten Feindbildern. "Was die linken Schreihälse in ihrer Massenhysterie nicht wahrhaben wollen: Die Menschen sind in ihrer überwiegenden Zahl nicht dumm oder doof..."
Vereinfachung & Sündenbock-Logik Komplexe gesellschaftliche Probleme (Kriminalität, Terrorgefahr, soziale Missstände) werden monokausal auf ein einziges Thema zurückgeführt: die Migrationspolitik. "Wer noch Zweifel hatte, wie uns die missglückte Flüchtlingspolitik von Angela Merkel [...] verändert hat, muss sich nur die Osnabrücker Innenstadt an diesem Karnevalssamstag anschauen."
Krisen- & Untergangsnarrative Konsequenter Einsatz von alarmistischer Sprache (Blutbad, Bürgerkrieg, Ausnahmezustand) zur Erzeugung von Angst und dem Gefühl eines permanenten Kontrollverlusts. "Wer mit seiner kleinen Prinzessin an der Hand zum Karnevalsumzug geht, wird begleitet von der Angst, dass dieser schöne Tag in einem Blutbad enden könnte."
Anti-Pluralismus Gezielte Abwertung und Delegitimierung von abweichenden Meinungen und Lebensentwürfen (linker Protest, Feminismus) als hysterisch, dumm oder unanständig. "Und jetzt? Alle Andersdenkenden sind „F*tzen" und „Faschos"? A brave new world?"

Die Worte liegen auf dem Tisch, die Muster sind erkennbar. Die Worte stammen von Heiko Pohlmann selbst. Ob diese Worte und die dahinterstehende Methode die eines kritischen Journalisten sind, der lediglich unbequeme Fragen stellt, oder die eines populistischen Akteurs, der mit den Ängsten der Menschen spielt, um eine politische Agenda voranzutreiben, ist die Frage, die nun jeder für sich selbst beantworten kann – und sollte. Denn die Art und Weise, wie wir als Gesellschaft auf Akteurinnen wie Heiko Pohlmann reagieren, wird maßgeblich darüber entscheiden, in welche Richtung sich unser öffentlicher Diskurs und letztlich auch unsere "Demokratie" entwickeln werden.


Quellen

Kommentare von Heiko Pohlmann (Hasepost)

Weitere Quellen

[3] Mudde, Cas (2004): The Populist Zeitgeist. In: Government and Opposition 39 (4), S. 542-563.

[4] Müller, Jan-Werner (2016): Was ist Populismus? Ein Essay. Suhrkamp.

[2] Diehl, Paula (2012): Populismus und Massenmedien. Bundeszentrale für politische Bildung.

[8] Struck, Olaf (2024): Populismus als Strategie. Hans-Böckler-Stiftung.

[1] Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Dossier Rechtspopulismus.

[7] Friedrich-Ebert-Stiftung (2019): Rechtspopulismus durchschauen und Paroli bieten!

[5] Zick, Andreas / Küpper, Beate (2019): Die geforderte Mitte. Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2018/19. Dietz.

[6] Decker, Frank (2000): Der neue Rechtspopulismus. Leske + Budrich.