Die "Windschutzscheiben-Perspektive": Eine Analyse institutioneller Voreingenommenheit bei der polizeilichen Behandlung des Radverkehrs in Osnabrück (2022-2024) (Gastbeitrag)
I. Das Osnabrücker Sicherheitsparadoxon: Hohe Radverkehrsanteile bei tiefgreifender Unsicherheit
Die Stadt Osnabrück steht vor einem fundamentalen Widerspruch: Einerseits gewinnt der Radverkehr als Baustein der urbanen Mobilität an Bedeutung, was sich in steigenden Nutzungszahlen manifestiert. Andererseits offenbart sich eine tiefe Kluft zwischen dieser Entwicklung und der gelebten Realität der Radfahrenden, die von einem ausgeprägten Gefühl der Unsicherheit geprägt ist. Diese Diskrepanz, das "Osnabrücker Sicherheitsparadoxon", bildet den Ausgangspunkt der vorliegenden Analyse. Sie untersucht die Rolle der Polizei Osnabrück in diesem Spannungsfeld und hinterfragt, ob deren Praxis und Kommunikation die vom motorisierten Verkehr ausgehenden Gefahren marginalisieren und Radfahrende systematisch benachteiligen.
1.1 Die Realität der Radfahrenden: Dekonstruktion der ADFC-Fahrradklima-Test-Ergebnisse (2022 & 2024)
Das subjektive Sicherheitsempfinden ist ein entscheidender Indikator für die Qualität der Radverkehrsbedingungen. Die Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests zeichnen für Osnabrück über den gesamten Untersuchungszeitraum ein konsistent negatives Bild und belegen, dass die Ängste der Radfahrenden nicht auf vagen Befürchtungen, sondern auf spezifischen, wiederkehrenden und messbaren Mängeln in der Infrastruktur und im Verkehrsklima beruhen.
Im ADFC-Fahrradklima-Test 2022 erhielt Osnabrück die schlechte Gesamtnote 4,31 und landete damit auf dem ernüchternden 32. von 40 Plätzen in seiner Ortsgrößenklasse. Der Bericht hält explizit fest, dass sich "Osnabrücker Radelnde immer noch unsicher fühlen". Als am schlechtesten bewerteter Einzelaspekt kristallisierte sich mit der Note 5,4 die Breite der Radwege heraus, was direkt auf die Infrastruktur als primäre Gefahren- und Konfliktquelle verweist. Darüber hinaus wurde das Problem des zu geringen Überholabstands durch Kraftfahrzeuge als gravierend identifiziert. Messungen im Rahmen des Tests zeigten, dass zwei Drittel aller Überholvorgänge den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand von 1,5 Metern unterschritten.
Zwei Jahre später, im ADFC-Fahrradklima-Test 2024, verbesserte sich die Gesamtnote für Osnabrück geringfügig auf 4,08, was zu einem Aufstieg auf Platz 26 von 40 führte. Während positive Aspekte wie die städtische Werbung für das Radfahren anerkannt wurden, blieben die Kernprobleme unverändert. Der Bericht stellt fest, dass von den Radfahrenden "außerdem die geringe Breite der Radwege und ein mangelndes Sicherheitsgefühl" bemängelt wurden.
Die Persistenz dieser Kritikpunkte über beide Erhebungen hinweg ist aufschlussreich. Sie deutet darauf hin, dass die wahrgenommenen Gefahren kein Produkt vereinzelter Zwischenfälle sind, sondern das Ergebnis struktureller und dauerhafter Mängel. Die Rückmeldungen der Radfahrenden richten sich nicht primär gegen einzelne "schlechte Autofahrer", sondern gegen ein Verkehrssystem, das durch mangelhafte Gestaltung (zu schmale Wege) und fehlende Durchsetzung essenzieller Sicherheitsregeln (Überholabstand) systematisch Konflikte und Gefahren produziert. Obwohl die Stadt mit dem "Fahrradstadtbeschluss" ambitionierte Ziele verfolgt¹, signalisieren die realen Bedingungen vor Ort eine andere Prioritätensetzung, bei der die Sicherheit von Radfahrenden dem Verkehrsfluss und dem Parkraum für Kraftfahrzeuge untergeordnet zu sein scheint. Das Problem verschiebt sich somit von der Ebene individueller Wahrnehmung ("Radfahrende fühlen sich unsicher") zur Ebene systemischer Analyse: Das städtische Verkehrssystem in Osnabrück ist so strukturiert, dass es konsistent und vorhersagbar Gefühle der Unsicherheit bei Radfahrenden erzeugt.
1.2 Die offizielle Schadensbilanz: Eine kritische Lesart der polizeilichen Unfallstatistiken (2022 & 2023)
Die offiziellen Verkehrsunfallstatistiken der Polizeiinspektion Osnabrück liefern die objektiven Daten zu den Folgen dieser Unsicherheit. Sie dokumentieren das Ausmaß von Verletzungen und Todesfällen im Radverkehr. Eine kritische Analyse dieser Statistiken offenbart jedoch, wie die Darstellung der Unfallursachen ein problematisches Narrativ formt, das die Verantwortung für die Entstehung von Gefahr verzerrt.
Für das Jahr 2022 verzeichnete die Polizeiinspektion Osnabrück 1.129 Unfälle mit Beteiligung von Radfahrenden, was einer deutlichen Zunahme von 28% gegenüber dem Vorjahr entsprach. Diese Unfälle führten zu 4 Getöteten (alle auf Pedelecs unterwegs), 176 Schwerverletzten und 730 Leichtverletzten. Ein zentraler Punkt in der polizeilichen Analyse ist die Zuweisung der "Hauptunfallursache". Laut Statistik setzten bei Unfällen mit Personenschaden Pedelec-Fahrende in 52% der Fälle die Hauptursache, bei Radfahrenden ohne Motorunterstützung lag dieser Wert bei 49%.
Im Jahr 2023 sank die Zahl der Radunfälle leicht auf 1.073, während die Zahl der Getöteten auf 5 anstieg. Die Verteilung der Unfallursachen blieb dabei bemerkenswert konstant: Pedelec-Fahrende wurden in 47% der Unfälle mit Personenschaden als Hauptverursacher eingestuft, bei konventionellen Radfahrenden waren es 51%.
Die konsistente Zuschreibung von rund 50% der Unfallverursachung an die Radfahrenden selbst ist ein statistisch wirkmächtiges, aber analytisch irreführendes Narrativ. Bei Kollisionen zwischen ungleichen Verkehrsteilnehmern - einem tonnenschweren Kraftfahrzeug und einem ungeschützten Menschen - ist das Konzept einer gleichgewichtigen Verursachung hochproblematisch. Die Methodik zur Zuweisung der "Hauptunfallursache" ist nicht wertneutral. Sie fokussiert sich oft auf den letzten beobachtbaren Regelverstoß (z.B. ein fehlendes Handzeichen des Radfahrers) und blendet den vorausgehenden Kontext aus (z.B. ein notwendiges Ausweichmanöver aufgrund einer sich öffnenden Autotür auf einem zu schmalen Radweg).
Indem die polizeiliche Darstellung das Ergebnis als eine annähernde 50/50-Verteilung der Verantwortung rahmt, erzeugt sie eine falsche Äquivalenz. Sie setzt den potenziellen Fehler eines Radfahrers, der primär sich selbst gefährdet, mit dem Fehler eines Kraftfahrzeugführers gleich, dessen Fehlverhalten eine ungleich größere, oft tödliche Gefahr für andere darstellt. Dieses statistische Narrativ konstruiert das Bild des unachtsamen, fehleranfälligen Radfahrers, der für seine eigene Verletzung oder seinen Tod maßgeblich mitverantwortlich ist. Damit entlastet es implizit sowohl das System (die Infrastruktur) als auch den machtvolleren Akteur (den Autofahrer) von ihrer überproportionalen Verantwortung für die Gefahrenentstehung. Diese Darstellung liefert die institutionelle Rechtfertigung für die in den folgenden Kapiteln analysierten Kontroll- und Kommunikationsschwerpunkte und stützt die "Windschutzscheiben-Perspektive".
II. Der Fokus der Exekutive: Eine quantitative Analyse polizeilicher Kontrollpraktiken
Nach der Analyse der subjektiven und objektiven Gefahrenlage widmet sich dieses Kapitel der konkreten Reaktion der Polizei Osnabrück. Anhand der von der Polizei selbst veröffentlichten Pressemitteilungen zu "Schwerpunktkontrollen" wird empirisch untersucht, ob die polizeiliche Kontrollpraxis die realen Gefahren für den Radverkehr adressiert oder ob sie eine Voreingenommenheit aufweist, die Radfahrende überproportional ins Visier nimmt.
2.1 Nach den Zahlen: Quantifizierung der Disproportion bei "Schwerpunktkontrollen"
Eine quantitative Auswertung der publizierten Kontrollergebnisse offenbart eine signifikante und systematische Diskrepanz in der Kontrolldichte zwischen Rad- und Kraftfahrzeugverkehr. Die Allokation polizeilicher Ressourcen richtet sich zahlenmäßig weitaus stärker gegen Radfahrende als gegen Autofahrende.
Bei einer Kontrolle im Februar 2023 wurden insgesamt 268 einspurige Fahrzeuge (227 Fahrräder, 29 Pedelecs, 12 E-Scooter) überprüft. Im selben Zeitraum wurden lediglich 62 Kraftfahrzeuge kontrolliert. Dies entspricht einem Verhältnis von 4,3 zu 1 zuungunsten des Radverkehrs.
- Eine Kontrolle im September 2024 zeigte ein etwas ausgewogeneres, aber immer noch ungleiches Bild: 46 kontrollierte Fahrräder und Pedelecs standen 33 kontrollierten Kraftfahrzeugen gegenüber, ein Verhältnis von 1,4 zu 1.
Bei einer Großkontrolle im Oktober 2024 wiederholte sich das Muster der ersten Kontrolle: 546 kontrollierte Fahrräder, Pedelecs und E-Scooter trafen auf nur 128 "andere Fahrzeuge". Das Verhältnis betrug hier erneut 4,3 zu 1.
Eine weitere Kontrolle im November 2024 liefert keine Gesamtzahlen der Kontrollierten, sondern listet die geahndeten Verstöße auf: 47 Verstöße durch Radfahrende gegenüber 51 durch Kraftfahrzeugführende. Obwohl die Zahl der Verstöße hier ausgeglichen erscheint, ist die Art der geahndeten Delikte, wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird, von großer Bedeutung.
Die folgende Tabelle fasst die quantitativen Ergebnisse der analysierten Schwerpunktkontrollen zusammen und verdeutlicht die systematische Schieflage in der Kontrollpraxis.
Tabelle 1: Zusammenfassung der "Schwerpunktkontrollen Radverkehr" in Osnabrück (2022-2024)
Datum der Kontrolle | Quelle | Kontrollierte Rad-/Pedelec-/E-Scooter-Fahrende | Kontrollierte Kraftfahrzeuge | Verhältnis (Rad: Kfz) | Festgestellte Verstöße Radverkehr | Festgestellte Verstöße Kfz-Verkehr |
---|---|---|---|---|---|---|
Februar 2023 | 5 | 268 | 62 | 4,3:1 | 214 | 49 |
September 2024 | 6 | 46 | 33 | 1,4:1 | 36 | 33 |
Oktober 2024 | 7 | 546 | 128 | 4,3:1 | ||
November 2024 | 8 | 47 | 51 |
Anmerkung: Die Daten für Oktober und November 2024 sind in den Pressemitteilungen unvollständig.
Die Zahlen belegen eindeutig, dass die polizeiliche Aufmerksamkeit im Rahmen der deklarierten "Schwerpunktkontrollen Radverkehr" quantitativ primär auf die Radfahrenden selbst gerichtet ist. Diese massive Disproportion in der Kontrolltätigkeit steht im Widerspruch zu der von den Kraftfahrzeugen ausgehenden, ungleich höheren Betriebsgefahr.
2.2 Eine Typologie der Vergehen: Was wird kontrolliert?
Über die reine Anzahl der Kontrollen hinaus ist die qualitative Analyse der geahndeten Verstöße entscheidend. Sie zeigt, welche Art von Verhalten die Polizei priorisiert und sanktioniert. Die Daten legen eine grundlegend unterschiedliche Kontrollphilosophie für Radfahrende und Autofahrende offen: Während bei Radfahrenden vor allem die Einhaltung einer räumlichen Ordnung im Vordergrund steht, werden bei Autofahrenden primär Vergehen geahndet, die nicht zwangsläufig eine direkte Interaktion mit dem Radverkehr beinhalten.
Bei den Radfahrenden dominieren in allen Kontrollberichten Verstöße, die sich auf die Nutzung der falschen Verkehrsfläche beziehen. Am häufigsten genannt werden das "Befahren des Gehwegs" (90 Fälle in 5, 30 in) und das "Befahren der Fußgängerzone" (33 Fälle in 5, 28 in). Hinzu kommen Rotlichtverstöße (16 Fälle in). Es handelt sich hierbei überwiegend um Verstöße gegen die räumliche Ordnung und die Verkehrsregeln.
Bei den Kraftfahrzeugführenden sind die am häufigsten geahndeten Delikte "Halte- bzw. Parkverstöße" (17 Fälle in 5, 11 in) und die Nutzung von Mobiltelefonen (13 Fälle in 5, 7 in 8). Während das Falschparken auf Radwegen eine erhebliche Behinderung und Gefährdung darstellt, ist es ein statisches Vergehen. Die Ahndung von Verhaltensweisen, die Radfahrende in der Bewegung dynamisch und akut gefährden, tritt demgegenüber in den Hintergrund. Zwar werden solche Verstöße vereinzelt aufgeführt, wie "9 x verbotswidriges Überholen von einspurigen Fahrzeugen" oder "17x Überholen von Radfahrenden trotz bestehendem Überholverbot", sie bilden jedoch nicht den Schwerpunkt der Kontrollen und fehlen in anderen detaillierten Berichten gänzlich.
Diese Schwerpunktsetzung offenbart eine institutionelle Priorisierung von Ordnung gegenüber Sicherheit. Die Polizei agiert primär als Hüterin einer auf das Auto ausgerichteten Raumordnung, in der die Anwesenheit von Radfahrenden an "falschen" Orten das zentrale zu regulierende Problem darstellt. Die Reaktion der Polizei zielt auf das Symptom (der Radfahrer auf dem Gehweg) und nicht auf die Ursache (eine unsichere oder blockierte Radverkehrsanlage). Die systematischen, kinetischen Gefahren, die von Kraftfahrzeugen für Radfahrende ausgehen - insbesondere überhöhte Geschwindigkeit und zu geringer Seitenabstand -, sind in der sichtbaren Kontrollpraxis deutlich unterrepräsentiert.
III. Die Konstruktion des Narrativs: Eine Diskursanalyse der polizeilichen Kommunikation
Die institutionelle Voreingenommenheit manifestiert sich nicht nur in der quantitativen Kontrollpraxis, sondern auch in der Art und Weise, wie die Polizei über den Radverkehr kommuniziert. Die Sprache, das Framing und die narrativen Strategien in Pressemitteilungen tragen maßgeblich dazu bei, ein öffentliches Bild zu formen, das die in der Praxis beobachteten Schieflagen legitimiert und verstärkt.
3.1 Das Framing des Radfahrenden: Störer, Schutzbedürftiger oder Akteur?
Die Wortwahl in Überschriften und Einleitungen von Pressemitteilungen ist entscheidend dafür, wie das Thema "Radverkehr" in der Öffentlichkeit gerahmt wird. Die Polizeiinspektion Osnabrück verwendet hierbei ein Framing, das den Radverkehr selbst als Problemfeld darstellt und durch die Rhetorik einer vermeintlichen Ausgewogenheit die tatsächliche Disproportion der Kontrollen verschleiert.
Die konsequente Betitelung der Aktionen als "Schwerpunktkontrolle Radverkehr" 5 oder ähnliche Varianten legt bereits nahe, dass der Radverkehr als Ganzes das zu kontrollierende Objekt ist, nicht etwa spezifische Gefahrensituationen wie "Kontrollen zur Sicherheit von Radfahrenden" oder "Kontrollen von Konflikten zwischen Auto- und Radverkehr".
Besonders aufschlussreich ist die wiederkehrende Formulierung einer scheinbaren Gleichbehandlung, wie sie in der Mitteilung vom Februar 2023 zu finden ist: "Das Fehlverhalten gegenüber Radfahrenden wurde hierbei gleichermaßen in den Blick genommen wie das Fehlverhalten durch Radfahrende". Diese Behauptung einer ausgewogenen Betrachtung wird jedoch durch die im selben Bericht genannten Zahlen (4,3-mal mehr kontrollierte Radfahrende als Autofahrende) unmittelbar widerlegt. Die Diskrepanz zwischen der sprachlichen Behauptung und den faktischen Daten ist kein Versehen, sondern eine strategische Rahmung. Sie dient dazu, Kritik an einer einseitigen Praxis vorzubeugen, indem explizit Fairness und Neutralität postuliert werden.
Gleichzeitig wird die Polizei als wohlwollende Instanz dargestellt, deren Ziel es sei, "zur Erhöhung der Verkehrssicherheit der Radfahrenden beizutragen". Die Kontrolldaten zeigen jedoch, dass dieser Schutz primär durch die Disziplinierung der Schutzbedürftigen selbst erreicht werden soll. Diese Kommunikation bedient sich eines Diskurses der falschen Äquivalenz. Sie neutralisiert die realen Macht- und Gefährdungsasymmetrien im Straßenverkehr und legitimiert eine Kontrollpraxis, die den Fokus einseitig auf die schwächeren Verkehrsteilnehmenden legt, während sie ein öffentliches Bild der Unparteilichkeit aufrechterhält.
3.2 Das Narrativ der Devianz: Die Konstruktion des "manipulierten Pedelecs" als "Folk Devil"
Innerhalb der polizeilichen Kommunikation lässt sich eine auffällige narrative Fokussierung auf Einzelfälle von manipulierten E-Bikes und E-Scootern beobachten. Die detaillierte und dramatisierende Darstellung dieser relativ seltenen Vergehen dient als narrative Ablenkung von alltillichen und systemischen Gefahren und konstruiert ein neues Feindbild, einen technologischen "Folk Devil".
In der Pressemitteilung vom September 2024 wird einem einzigen Fall eines manipulierten Pedelecs breiter Raum gewidmet. Der Text beschreibt detailliert den Verdacht, die technische Manipulation ("überschritt deutlich die erlaubte Höchstgeschwindigkeit"), die spezifischen Straftatbestände ("Fahrens ohne Fahrerlaubnis", "Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz") und die repressive Konsequenz ("wurde beschlagnahmt"). Eine weitere Meldung greift diesen Fall erneut auf. Ähnlich verhält es sich im Bericht zur Großkontrolle vom Oktober 2024, der "zwei Fälle von manipulierten E-Scootern" hervorhebt, von denen einer auf 45 km/h "getunt" war, und ebenfalls die Beschlagnahmung betont.
Dieses Maß an erzählerischer Tiefe und die Betonung der Kriminalität stehen in starkem Kontrast zur generischen und aggregierten Berichterstattung über weitaus häufigere Vergehen von Autofahrenden, wie etwa "17 Halte- bzw. Parkverstöße". Die Fokussierung auf diese technologisch avancierten und spektakulären Einzelfälle erzeugt eine Art "moralische Panik". Sie konstruiert eine neue, leicht als eindeutig gefährlich darzustellende Bedrohung den rücksichtslosen Fahrer auf einem illegal schnellen Pedelec oder E-Scooter.
Dieses Narrativ erfüllt eine doppelte Funktion: Erstens ermöglicht es der Polizei, sich als proaktiv und handlungsfähig gegenüber neuen technologischen Herausforderungen zu präsentieren. Zweitens lenkt es die öffentliche und mediale Aufmerksamkeit von der alltäglichen, systemischen und statistisch weitaus relevanteren Gefahr ab, die von routinemäßiger Nachlässigkeit von Autofahrenden (wie zu engem Überholen oder Unaufmerksamkeit) ausgeht. Diese alltäglichen Gefahren sind polizeilich schwerer zu fassen und politisch unpopulärer zu adressieren. Die Verstärkung einer neuartigen Bedrohung erlaubt es der Polizei, Effizienz zu demonstrieren, während das komplexere und grundlegendere Problem der vom motorisierten Verkehr ausgehenden Gefahr unterthematisiert und unterkontrolliert bleibt.
IV. Die Kluft zwischen Risiko und Reaktion: Eine Synthese und Fallstudie
Die abschließende Analyse führt die Ergebnisse der vorangegangenen Kapitel zusammen, um die zentrale Forschungsfrage schlüssig zu beantworten. Sie zeigt systematisch die massive Diskrepanz zwischen den größten realen Gefahren für Radfahrende und den Schwerpunkten der polizeilichen Praxis und Kommunikation auf. Die Vernachlässigung des Problems der Überholabstände dient dabei als definitive Fallstudie, die die Existenz einer "Windschutzscheiben-Perspektive" belegt.
4.1 Fehlgeleitete Prioritäten: Die Kartierung der Diskrepanz
Ein direkter Abgleich der identifizierten Risiken mit der dokumentierten polizeilichen Reaktion offenbart eine tiefgreifende Kluft. Die operativen Prioritäten der Polizei Osnabrück korrelieren nicht mit den größten Gefahrenquellen und Ängsten der Radfahrenden.
Identifizierte Primärrisiken (aus Kapitel 1):
- Gefährlich enges Überholen durch Kraftfahrzeuge: Dies wurde im ADFC-Test als zentrales Sicherheitsproblem identifiziert und durch Messungen objektiv belegt.¹
- Unzureichende und unsichere Infrastruktur: Zu schmale Radwege zwingen zu gefährlichen Ausweichmanövern und führen zu Konflikten.
- Kollisionen mit Kraftfahrzeugen: Diese sind die Hauptursache für schwere und tödliche Verletzungen bei Radfahrenden.³
Beobachtete polizeiliche Handlungsschwerpunkte (aus Kapitel II & III):
- Nutzung der "falschen" Verkehrsfläche durch Radfahrende: Die Kontrolle von Gehweg- und Fußgängerzonennutzung ist der häufigste Ahndungsgrund.⁵
- Regelkonformität von Radfahrenden: Die Beachtung von Ampelsignalen und die technische Ausstattung der Fahrräder stehen im Fokus.
- Verstöße von Autofahrenden ohne direkten Bezug zur dynamischen Gefährdung: Parkverstöße und Handynutzung werden regelmäßig geahndet.⁵
- Narrative Fokussierung auf deviantes Verhalten von Radfahrenden: Die überproportionale Thematisierung von manipulierten Pedelecs.⁶
Der systematische Vergleich macht deutlich: Die Polizei investiert erhebliche Ressourcen in die Kontrolle von Verhaltensweisen, die zwar regelwidrig sein mögen, aber nicht die Hauptursache für schwere Unfälle und das Gefühl der Unsicherheit darstellen. Gleichzeitig werden die von Radfahrenden als am bedrohlichsten empfundenen und objektiv gefährlichsten Verhaltensweisen von Autofahrenden in der sichtbaren Kontrollpraxis weitgehend ignoriert.
4.2 Fallstudie der Vernachlässigung: Das unkontrollierte Problem des Überholabstands
Das institutionelle Versäumnis, den gesetzlichen Mindestüberholabstand systematisch zu kontrollieren, ist der schlagkräftigste Beleg für die These einer "Windschutzscheiben-Perspektive". Hier zeigt sich die Kluft zwischen bekanntem Risiko und fehlender Reaktion am deutlichsten.
Das Ausmaß des Problems: Die Daten des ADFC Osnabrück aus dem OpenBikeSensor-Projekt sind eindeutig und alarmierend. Bei 7.956 Messungen im Stadtgebiet waren 69% der Überholvorgänge illegal eng, d.h. der Abstand betrug weniger als die vorgeschriebenen 1,5 Meter.¹¹ Das Projekt identifiziert sogar eine "Top 10" der schlimmsten Straßen, angeführt vom Erich-Maria-Remarque-Ring, wo der mittlere Überholabstand nur 99 cm betrug und 94% aller Überholvorgänge zu dicht waren." Es handelt sich also um eine bekannte, quantifizierte, alltägliche und massive Gefährdung.
Der rechtliche Standard: Die Straßenverkehrsordnung schreibt innerorts unmissverständlich einen Mindestabstand von 1,5m und außerorts von 2,0m vor.¹²
Die polizeiliche Reaktion - oder deren Fehlen: Eine sorgfältige Prüfung aller verfügbaren Pressemitteilungen zu Verkehrskontrollen im Untersuchungszeitraum offenbart eine nahezu vollständige Abwesenheit jeglicher systematischer oder proaktiver Durchsetzung dieser Regel. Es findet sich kein einziger Hinweis auf den Einsatz moderner Kontrolltechniken wie Abstandsmessungen per Video vom Fahrrad aus, wie sie von anderen Polizeibehörden praktiziert werden.¹³
- Die vereinzelten Erwähnungen von "verbotswidrigem Überholen" beziehen sich auf das Überholen bei explizitem Überholverbot (z. B. durch Verkehrszeichen), nicht auf die generelle Missachtung des Mindestabstands. Dies ist eine entscheidende Unterscheidung.
- Trotz der überwältigenden Evidenz für die Häufigkeit dieses Vergehens wurden keine dedizierten "Schwerpunktkontrollen Überholabstand" angekündigt oder durchgeführt.
Dieses Versäumnis ist nicht mit Ressourcenmangel allein zu erklären; es ist ideologischer Natur. Aus der "Windschutzscheiben-Perspektive" wird der Raum um das Auto als flexibel und verhandelbar wahrgenommen. Das knappe Vorbeifahren an einem Radfahrer wird nicht als konkreter Regelverstoß oder gar als aggressiver Akt, sondern als normaler und notwendiger Teil des Autofahrens empfunden. Die Untätigkeit der Polizei spiegelt und verfestigt diese gesellschaftliche Norm. Indem sie das Gesetz nicht durchsetzt, macht sie die Gefahr unsichtbar und sanktioniert implizit das gefährdende Verhalten der Autofahrenden. Diese institutionelle Blindheit gegenüber einer der größten Gefahren für den Radverkehr ist die Kernaussage der "Windschutzscheiben-Perspektive".
Während die Polizei Osnabrück das Problem des zu geringen Überholabstands mindestens seit vielen Jahren kennt und vereinzelt ahndet, fehlt eine sichtbare, systematische und proaktive Strategie. Andere Städte demonstrieren, dass durch den Einsatz von Technik, spezialisierten Einheiten und klaren Kontrollschwerpunkten eine deutlich höhere Priorität auf den Schutz von Radfahrenden vor dieser spezifischen Gefahr gelegt werden kann.
Vergleich: Kontrollpraxis in anderen deutschen Städten
Andere Polizeibehörden in Deutschland verfolgen das Problem des zu geringen Überholabstands deutlich systematischer und mit größerem öffentlichen Fokus. Die Methoden variieren, zeigen aber eine höhere Priorisierung des Themas.
- Technologie-basierte Kontrollen:
- Hannover: Die Polizei setzt auf eine Kombination aus Markierungen auf der Fahrbahn und Videokameras. So können Verstöße exakt dokumentiert und rechtssicher geahndet werden.
- Hamm (NRW): Hier werden ebenfalls Markierungen mittels Schablonen auf die Straße aufgebracht und knappe Überholmanöver fotografisch dokumentiert.
- Spezialisierte Einheiten und Schwerpunktaktionen:
- Hamburg: Die dortige Fahrradstaffel der Polizei hat den Überholabstand als festen Bestandteil ihrer täglichen Patrouillenarbeit und führt gezielte Schwerpunktkontrollen durch.
- Baden-Württemberg (u.a. Stuttgart, Freiburg): Die Polizei ist für regelmäßige Schwerpunktkontrollen bekannt, die oft an Engstellen durchgeführt werden, wo ein sicheres Überholen faktisch unmöglich ist.
V. Empfehlungen für einen Paradigmenwechsel: Auf dem Weg zu einer evidenzbasierten und gerechten Verkehrssicherheitsarbeit
Die vorliegende Analyse hat eine systematische Voreingenommenheit in der Praxis und Kommunikation der Polizeiinspektion Osnabrück im Umgang mit dem Radverkehr aufgezeigt. Um die Verkehrssicherheitsarbeit für alle Teilnehmenden fairer, transparenter und effektiver zu gestalten, bedarf es eines grundlegenden Paradigmenwechsels. Die folgenden Empfehlungen zielen darauf ab, die "Windschutzscheiben-Perspektive" durch einen Ansatz zu ersetzen, der auf Evidenz, der Schutzbedürftigkeit verletzlicher Verkehrsteilnehmender und der Adressierung systemischer Risiken basiert.
5.1 Neuausrichtung der Kontrollen am Risiko: Von der Ordnung zur Sicherheit
Die Allokation polizeilicher Ressourcen muss sich an den realen Gefahren orientieren, nicht an der Aufrechterhaltung einer überholten Verkehrsordnung.
- Empfehlung: Der Fokus von "Schwerpunktkontrollen" muss von den räumlichen Ordnungswidrigkeiten der Radfahrenden auf die gefährlichsten Verhaltensweisen von Kraftfahrzeugführenden verlagert werden.
- Konkrete Maßnahmen:
- Initiierung regelmäßiger, öffentlich angekündigter Kontrollen zur Einhaltung des Mindestüberholabstands von 1,5m, mit einem Schwerpunkt auf den vom ADFC identifizierten "Top 10"-Gefahrenstraßen."
- Priorisierung der Geschwindigkeitsüberwachung auf Straßen mit hohem Radverkehrsaufkommen und mangelhafter Infrastruktur.
- Einführung einer Null-Toleranz-Strategie bei Parkverstößen, die Radwege blockieren oder unbenutzbar machen, und konsequente Ahndung dieser als aktive Gefährdung.
5.2 Neuausrichtung der Kommunikation für systemische Sicherheit: Von der Schuldzuweisung zur Verantwortung
Die öffentliche Kommunikation der Polizei muss die Asymmetrie der Risiken im Straßenverkehr anerkennen und die Verantwortung dort verorten, wo die größte Gefahr ausgeht.
- Empfehlung: Die Sprache und das Framing der polizeilichen Kommunikation müssen überarbeitet werden, um die Prinzipien des Schutzes vulnerabler Gruppen und der Adressierung systemischer Risiken widerzuspiegeln.
- Konkrete Maßnahmen:
- Umbenennung von Kontrollaktionen, um deren Zielsetzung klar zu kommunizieren, z.B. von "Schwerpunktkontrolle Radverkehr" zu "Aktionstag für sicheres Überholen" oder "Kontrolle zur Sicherung von Radwegen".
- In Pressemitteilungen explizit auf das Konzept des asymmetrischen Risikos und die besondere Sorgfaltspflicht von Kraftfahrzeugführenden gegenüber ungeschützten Verkehrsteilnehmenden hinweisen.
- Beendigung der narrativen Verstärkung seltener "Folk Devil"-Fälle wie manipulierter Pedelecs. Diese sollten sachlich und in einem ihrer statistischen Relevanz angemessenen Rahmen berichtet werden.
5.3 Übernahme von Best Practices und Technologie: Evidenzbasierte Polizeiarbeit
Die Polizeiinspektion Osnabrück sollte moderne, evidenzbasierte Kontrollmethoden übernehmen, die sich in anderen Jurisdiktionen bereits bewährt haben, um die Effektivität und Fairness ihrer Arbeit zu steigern.
- Empfehlung: Einführung von Technologie und Methoden, die eine effektive und objektive Überwachung der größten Gefahren für den Radverkehr ermöglichen.
- Konkrete Maßnahmen:
- Ausrüstung einer spezialisierten Verkehrseinheit mit Video- und Abstandsmessungstechnik auf Dienstfahrrädern, um Überholabstände gerichtsfest und unanfechtbar dokumentieren zu können, wie es andernorts bereits Praxis ist.¹³
- Aktive Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen wie dem ADFC Osnabrück, um deren datengestützte Analysen (z.B. aus dem OpenBikeSensor-Projekt) für eine gezielte und evidenzbasierte Einsatzplanung zu nutzen."
- Verknüpfung von Präventionskampagnen, wie dem Projekt "Sicherheit erfahren" für Senioren ¹⁵, mit den Erkenntnissen aus der Unfallstatistik und den Kontrolldaten, um sicherzustellen, dass die Aufklärungsarbeit die realen Gefahren adressiert.
Ich hatte die Polizei Osnabrück um eine Stellungnahme gebeten, hier ist sie in unveränderter Form:
zu 1. Wie Sie sicherlich wissen, liegt der Radverkehrsanteil in der Stadt Osnabrück momentan bei 23 % und soll bis 2030 auf 30 % steigen.
Fakt ist, dass der Anteil der Kfz immer noch überwiegt und es in der Stadt Osnabrück steigende Zulassungszahlen gibt; unabhängig davon ist feststellbar, dass es einen zunehmenden Radverkehr gibt, der seit der Corona-Pandemie deutlich an Fahrt aufgenommen hat.
Zu 1.1. Wenn Sie hier das subjektive Sicherheitsempfinden der Radfahrer anführen, könnte das u.a. an der vorhandenen Infrastruktur liegen. Fakt ist aber auch, dass sich hier deutlich etwas getan hat, was sich im Ranking des ADAC-Fahrradklima-Tests 2024 zeigt.
Insofern muss man hier auch der Stadt Osnabrück ausreichend Zeit einräumen, die baulichen Voraussetzungen zur Verbesserung der Radinfrastruktur zu schaffen.
Hier wird ein guter Weg beschritten, der die volle Unterstützung aller eingebundenen Akteure verdient.
zu 1.2. Die Polizei ist schon alleine nach dem Verkehrsunfallstatistikgesetz zur Ermittlung der (Hauptunfall-) Ursache verpflichtet. Zudem richten sich auch danach polizeiliche Überwachungsmaßnahmen im Straßenverkehr aus.
Falsch ist ihre Schlussfolgerung, dass die Verursachung eines Unfalls mit dem vorhandenen Verkehrsmittel zu tun hat. Hierbei kommt es lediglich darauf an, wer die Ursache gesetzt hat.
Dies kann sowohl ein Kfz, als auch ein Radfahrer sein. Tatsächlich kann jeder Teilnehmer im Straßenverkehr hier die Unfallursache setzen.
Leider ist dabei aber auch immer wieder feststellbar, dass sich ein gewisser prozentualer Anteil von Rad- und Pedelecfahrern ordnungswidrig verhält und die Ursache für den Unfallhergang setzt. Aus diesem Grund müssen wir leider immer wieder feststellen, dass der Anteil bei der Verursachung der Unfälle durch Rad- und Pedelecfahrer jeweils bei ca. 50 Prozent liegt.
Insofern richten wir auch unsere polizeilichen Verkehrskontrollen auf die vorhandenen Unfallzahlen und deren Verursacher aus.
Hier von einer „Windschutzscheiben-Perspektive“ zu sprechen, entspricht nicht den validen Unfallzahlen und verzerrt die Realität.
zu 2. Wie Sie vielleicht aus den Medien mitbekommen haben, gibt es 2025 mehrere verkehrliche Schwerpunktthemen im Land Niedersachsen und der PD Osnabrück. Neben den Themen Fahrtüchtigkeit und Geschwindigkeit liegt auch ein Fokus im Bereich des Radverkehrs.
Wenn Sie also eine „systematische Diskrepanz zwischen Rad- und Kraftfahrzeugverkehr“ anprangern, ist das faktisch falsch.
Ganz im Gegenteil werden in der PI Osnabrück wesentlich mehr Kfz-Kontrollen als Radkontrollen durchgeführt.
Gerade bei den genannten Themen Fahrtüchtigkeit und Geschwindigkeit – ebenfalls Hauptunfallursachen – werden fast ausschließlich nur Kfz kontrolliert. Alleine hier werden schon ca. doppelt so viel Kontrolltermine geplant und durchgeführt.
Dazu gibt es noch vorgeschriebene europäische Kontrollwochen im ROADPol- Verbund (European Roads Policing Network), die sich ausschließlich an den KFZ-Verkehr richten.
Im Vergleich ist der prozentuale Anteil an Radkontrollen in der PI Osnabrück eher gering. Wenn man dann noch bedenkt, dass bei den Radkontrollen nicht nur Verstöße von Radfahrenden, sondern auch noch gegenüber Radfahrenden geahndet werden, ist mit Sicherheit kein Ungleichgewicht bei der Kontrolltätigkeit festzustellen.
In der Tat wäre es auch überhaupt nicht nachvollziehbar, wenn der Fokus bei den Radkontrollen dann auch noch auf den Kfz-Verkehr liegen wurde.
Zudem werden nicht alle Verkehrskontrollen medial veröffentlicht.
zu 2.2. Allgemeine Praxis in der Polizei Niedersachsen ist, dass bei Verkehrskontrollen ganzheitlich kontrolliert wird. Dabei ist es völlig egal, um was für eine Verkehrsbeteiligungsart und Verstöße es sich handelt. Eine (Vor-) Selektion findet hier nicht statt.
Die von ihnen vorgehaltene Voreingenommenheit gibt es in der polizeilichen Praxis nicht.
Anführen möchte ich hier exemplarisch die Fahrradeinheit in der PI Osnabrück. Diese Einheit wurde gerade deswegen ins Leben gerufen, um die Sicherheit von Radfahrenden zu erhöhen und konsequent Verstöße gegenüber Radfahrenden zu unterbinden und zu ahnden. Ein Augenmerk der Fahrradeinheit liegt u.a. in der Kontrolle von Kfz beim Überholen von Radfahrern. Hierbei wird u.a. auch vorhandene Videotechnik eingesetzt.
Wichtig ist aber auch festzuhalten, dass diese Art der Verkehrsunfälle (fehlender Seitenabstand) glücklicherweise nur einen sehr kleinen Anteil im Gesamtkontext ausmacht.
Richtig ist, dass Verstöße im ruhenden Verkehr primär durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommunen geahndet werden.
Aus materiellen und personellen Gründen stößt hier die Polizei an ihre Grenzen, so dass hier tatsächlich kein polizeilicher Fokus möglich ist.
zu 3. An dieser Stelle kann mit dem Thema „Framing“ überhaupt nichts angefangen werden. Es geht doch in keiner Weise darum, die Radfahrer an den Pranger zu stellen.
Vielmehr geht es in den Pressemitteilungen der PI Osnabrück darum, dass Thema Radverkehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Die Bürger sollen dadurch wach-gerüttelt und daran erinnert werden, sich rechtskonform zu verhalten. Maßgebend ist hier, dass es nicht darum geht, die Bürger zu gängeln, sondern am Ende des Tages ein Fehlverhalten, welches zu Verkehrsunfällen führt, zu vermeiden. Niemand möchte Verletzte und Getötete im Straßenverkehr haben. Aus polizeilicher Sicht kommt es hier auch nicht auf die Verkehrsbeteiligungsart an. Vielmehr möchten wir überhaupt keine Personenschäden im Straßenverkehr haben.
Von einer einseitigen Berichterstattung zu Ungunsten der Radfahrer kann überhaupt nicht die Rede sein. Die Berichterstattung und die Pressemitteilungen sind objektiv und ohne jegliche Wertung der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer verfasst.
Gerade manipulierte Pedelecs und deren überhöhte Geschwindigkeit generieren eine enorme Unfallgefahr. Andere Verkehrsteilnehmer rechnen nicht mit derartigen Geschwindigkeiten, so dass es leider immer wieder zu schweren Verkehrsunfällen kommt.
Jedem sollte doch wohl diese große Gefahr bewusst gemacht werden, so dass in den Pressemitteilungen explizit über die damit verbundenen Gefahren berichtet wird.
zu 4 Die Verkehrssicherheitsarbeit zählt zu den unverzichtbaren Kernaufgaben der Polizei. Die Fachstrategie Verkehr des Landes Niedersachsen soll dabei einen strukturierten Rahmen setzen, um durch eine breit aufgestellte Verkehrssicherheitsarbeit die Anzahl der Verkehrsunfälle und damit die Anzahl der verletzten und getöteten Unfallopfer zu reduzieren. Dadurch soll auch das Sicherheitsgefühl bei allen Verkehrsteilnehmenden erhöht werden.
Die polizeilichen Schwerpunktthemen (Fahrtüchtigkeit, Geschwindigkeit und Radverkehr) im Land Niedersachsen richten sich vorwiegend an den Hauptunfallursachen aus.
Zudem ist festzustellen, dass bei der Auswertung der Verkehrsunfallstatistik u.a. die fehlende positive Verhaltensänderung eine Rolle spielt.
Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Polizei Osnabrück neutral und unvoreingenommen Verkehrskontrollen durchführt und sich die Kontrollpraxis an den vorhanden Hauptunfallursachen und deren Verursacher ausrichtet.
Hinweis: Auf der Internetseite des Präventionsteams der Polizei Osnabrück gibt es einen Überblick über alle Präventionsthemen im Bereich Radverkehr, wie z.B. Sicherheit erfahren, Fit mit dem Pedelec und vieles mehr. Ein Blick lohnt sich…
Referenzen
- Fahrradklimatest 2022 - adfc Osnabrück, Zugriff am September 5, 2025, https://www.adfc-osnabrueck.de/fahrradklimatest-2022-osnabrueck/
- Stadt Osnabrück | presse-service.de, Zugriff am September 5, 2025, https://www.presse-service.de/meldung.aspx?ID=1189901
- Verkehrsunfallstatistik 2022 Polizeiinspektion Osnabrück, Zugriff am September 5, 2025, https://www.pd-os.polizei-nds.de/download/76176
- Verkehrsunfallstatistik - Polizeidirektion Osnabrück, Zugriff am September 5, 2025, https://www.pd-os.polizei-nds.de/download/76891
- POL-OS: Osnabrück: Schwerpunktkontrolle "Radverkehr" am 15.02.2023 - Presseportal, Zugriff am September 5, 2025, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/104236/5443218
- POL-OS: Fahrradkontrollen im Stadtgebiet Osnabrück: Manipuliertes Pedelec - Presseportal, Zugriff am September 5, 2025, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/104236/5866228
- POL-OS: Osnabrück: Großkontrolle "Radverkehr" - Polizei stellte 381 Verstöße fest (FOTOS), Zugriff am September 5, 2025, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/104236/5892833
- POL-OS: Osnabrück: Gemeinsame Fahrradkontrollen im Stadtgebiet - Polizei zieht Bilanz, Zugriff am September 5, 2025, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/104236/6087321
- 30+ Hintergrundinformationen von Polizeiinspektion Osnabrück | Presseportal, Zugriff am September 5, 2025, https://www.presseportal.de/blaulicht/nr/104236/dokument
- POL-OS: Osnabrück: Schwerpunktkontrollen "Radverkehr" im Stadtgebiet - Presseportal, Zugriff am September 5, 2025, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/104236/6063091
- Mit Abstand am besten - adfc Osnabrück, Zugriff am September 5, 2025, https://www.adfc-osnabrueck.de/sie-fahren-mit-abstand-am-besten-ein-drittel-der-autofahrer-halten-ausreichenden-ueberholabstand/
- Sicherheit für Radfahrende: Mindestens 1,5 Meter Kfz-Überholabstand - ADFC Berlin, Zugriff am September 5, 2025, https://berlin.adfc.de/artikel/sicherheit-fuer-radfahrende-kfz-ueberholabstand-radweabreite-und-mindestmasse
- Wie kontrolliert die Polizei den Überholabstand von Radfahrenden? - ADFC Baden-Württemberg, Zugriff am September 5, 2025, https://bw.adfc.de/artikel/wie-kontrolliert-die-polizei-den-ueberholabstand-von-radfahrenden
- Mit dem OpenBikeSensor Überholabstände sichtbar machen - adfc Osnabrück, Zugriff am September 5, 2025, https://www.adfc-osnabrueck.de/radverkehr-wagen/openbikesensor/
- Polizei Osnabrück lädt zur Präventionstour für die Generation 60+ ein - Projekt "Sicherheit erfahren" beginnt im Juni Osnabrück - Polizeidirektion Osnabrück - Polizei Niedersachsen, Zugriff am September 5, 2025, https://www.pd-os.polizei-nds.de/startseite/dienststellen/polizeiinspektion_osnabrueck/themen/polizei-osnabruck-ladt-zur-praventionstour-fur-die-generation-60-ein-projekt-sicherheit-erfahren-beginnt-im-juni-osnabruck-118139.html
- Verkehrsunfallprävention in der Polizeiinspektion Osnabrück, Zugriff am September 5, 2025, https://www.pd-os.polizei-nds.de/startseite/pravention/verkehrsunfallpravention/verkehrsunfallpravention-in-der-polizeiinspektion-osnabruck-116676.html